„Time“ to listen: Von Taxiräubern und freshen Sounds
Die Bonner Band Steal A Taxi setzt sich aus Sängerin Makeda Michalke und Leadgitarrist Martin Schmidt sowie seit einiger Zeit aus Bassist Thomas Raatz und Schlagzeuger Jan Hubner zusammen. Seit 2010 rockt die Band mit Funk-, Pop- und Indie-Rock-Klängen die Bühnen. Zu ihren größten Erfolgen zählen jeweils die ersten Plätze beim Popmotor-, R(h)einspaziert- und Rockshot-Bandcontest sowie der Support für den Musiker Pohlmann im E-Werk in Köln. Nach der Veröffentlichung ihrer ersten EP Addiction im Sommer 2013 folgt nun im kommenden Mai eine weitere Platte mit freshen Sounds. Mit ihren sechs Songs hat die neue EP einiges auf Lager. Die Single Rapunzel lädt zum hemmungslosen Mitrocken ein, während sich zwischen die flippigen Rhythmen, die wir bereits von Steal A Taxi kennen und schätzen, auch ruhigere Klänge mischen. Der Track Time zählt zum Beispiel zu dieser Kategorie, zu der die Band nun auch ihr erstes Musikvideo vorstellt.
Die Single Time mag im ersten Moment wie ein klassisches Liebeslied klingen, doch es ist weit mehr als das. In dem Song geht es nicht nur um die Liebe zwischen zwei Menschen, die in einer Partnerschaft zusammenleben, sondern um verschiedenste zwischenmenschliche Beziehungen. Damit kann zum Beispiel die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern, zwischen Geschwistern oder Freunden gemeint sein.
„Bei genauerem Hinhören wird deutlich, dass es in dem Song um Menschen geht, die einem nahe stehen und manchmal mehr Einfluss auf dich haben, als dir gut tut“, sagt Gitarrist Martin über den von ihm und Makeda geschriebenen Track. Das Lied ist eine Loslösung von den Fesseln dieser Beeinflussung. Es ist eine – zumindest geistige – Befreiung von all den Menschen, die unverdienterweise zum Teil des eigenen Lebens geworden sind, obwohl sie einem schaden, anstatt einen zu lieben – so, wie sie es eigentlich tun sollten. Sie, die Anderen, breiten einen Scherbenhaufen vor einem aus und man zieht ohne es zu realisieren noch seine Schuhe aus, um barfuß darüber zu gehen. So ist das manchmal.

Frontfrau und Sängerin Makeda Michalke (Foto: Janin Tscheschel)
Look at me now
Time ist jedoch der Zeitpunkt, an dem man aufhört, sich etwas vorzumachen – „It’s time to stop pretending“ – , es ist der Augenblick, in dem man die Wahrheit und den Anderen erkennt und versucht, sich von den schlechten Einflüssen zu befreien, auch wenn der Andere unvermeidbar immer Teil des eigenen Lebens bleiben wird. „Auch wenn es manchmal schmerzhaft ist, kommt irgendwann der Punkt, an dem man die Augen aufmachen muss, weil man einfach nicht mehr so weiter machen kann“, sagt Makeda. Time verdeutlicht das Zurückkehren zu einem selbst, ein In-sich-Hören, einen Prozess des Verstehens und ist zugleich von Beginn an eine Ansage an das Gegenüber: „Look at me now, picking up all the pieces that you left for me somehow.”

Steal A Taxi aus Bonn (Foto: Janin Tscheschel)
Der Prozess des Erkennens und der Akt der Befreiung von den einengenden Ketten mancher Menschen spiegelt sich auch in der musikalischen Gestaltung des Songs wieder: Der Einstieg wird von rhythmischer Gitarrenmusik und Gesang dominiert. Die Musik beschränkt sich zu Beginn des Liedes auf das Wesentliche und versetzt den Zuhörer in eine nachdenkliche Stimmung. Volle Konzentration liegt zu Anfang auf dem Text, der die Botschaft des Songs in Worten vermittelt. Der Hörer selbst wird so dazu eingeladen, in sich zu gehen. Mit der zweiten Strophe setzten dann auch Schlagzeug, Bass, weitere Gitarren und später das Klavier ein und entfalten auf diese Weise mit vollerem Sound das im Text erwähnte Aufbegehren auf musikalischer Ebene. Doch die Ruhepause des Anfangs kehrt als ein Moment der Nachdenklichkeit und der Reflexion mehrmals im Verlaufe des Songs zurück und schafft somit einen besonders großen Kontrast zwischen leiseren und lauteren Elementen im Lied. Diese Ruhe vor dem Sturm durch die Konzentration auf Gesang und vereinzelte Instrumente lässt das Ende des Tracks besonders kraftvoll wirken, wenn Sängerin Makeda zur Bridge und zum letzten Refrain ansetzt. Das Finale bildet den absoluten Höhepunkt, an dem die Band musikalisch alles gibt, bevor die letzten Worte verklingen: „It’s time.“

Gitarrist Martin Schmidt (Foto: Janin Tscheschel)
Ganz nah dran
Das Musikvideo zu Time, welches unter der Regie von Ingo Schulten entstand, visualisiert den ungekünstelten Charakter der Musik. Frei von Effekten wurde der Song analog aufgenommen und gemixt. „Ingo hat im Herbst ein Konzert von uns besucht und uns danach über den Song ausgefragt, bevor er uns dann angeboten hat, ein Musikvideo zu machen. Er liebt die Musik“, erzählt Martin. Das Video unterstützt diese kredible Natur des Tracks, indem es nicht die Inszenierung einer fiktiven Geschichte zeigt, sondern die Musiker bei der Entstehung der Songaufnahmen begleitet. Kameramann Benjamin Kurtz hat die Arbeit der Band bei der Vorproduktion in ihrem Proberaum sowie bei den Aufnahmen im Parkhausstudio Köln in Bildern eingefangen. Die Aufnahmen schaffen durch ihre geringe Distanz zu den Instrumenten und Musikern die nötige Nähe zum ernsthaften Thema des Songs und geben dem Zuschauer die Möglichkeit, vollkommen in das Bild eintauchen zu können. Fast live – so, wie wir Steal A Taxi kennen!

„Time to stop pretending“ (Foto: Janin Tscheschel)
Steal A Taxi

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