Der Schauer der Shower: Duschen im Film
Hollywood duscht auf Wasserpreise. Egal ob in Komödien, Tragödien, Krimis oder Thrillern, in Filmen wird geduscht, was das Zeug hält. Doch welcher Zweck steht hinter diesem nassen Vergnügen?
Duschen – das ist die Zeit, in der man sich vollständig auf sich selbst konzentrieren kann. Das Hinunterprasseln des Wassers strahlt eine beruhigende Wirkung aus. Man ist von einem Film aus Wärme umhüllt, der einem das Gefühl von Geborgenheit vermittelt, wie damals im Bauch der Mutter. „Nothing’s gonna harm you, not while I’m arround.“ (weit gefehlt!) Aber nicht nur das Wasser bildet einen liquiden Schutzmantel um die Figuren in Filmen. Auch der in sich abgeschlossene Raum im Raum – die Dusche im (womöglich noch) zugeschlossenen Badezimmer – stellt einen Festungswall gegen Eindringlinge dar. Die Kabine umhüllt den Duschenden wie ein Kokon und schließt auf diese Weise alle Ablenkungen und Gefahren des Alltags aus. Ein ein mal ein Meter Rückzugsort, an dem man alleine sein kann, ohne dass sich jemand fragt warum. Duschen gehört schließlich zum Alltag dazu.
Dabei ist es gerade dieses vermeintliche Gefühl von Schutz bei vollkommener Schutzlosigkeit, das die Filmemacher unter anderem dazu verleitet, aus dem Ort der irrtümlich angenommenen Geborgenheit einen Ort des Schreckens zu machen. Die Dramatik wird auf diese Art um ein Vielfaches potenziert. So dringen Gewalttäter (W.E.) und Mörder (Psycho) beinah ungehindert auf verschiedene Weise in die Schutzzonen ihrer nackten Opfer ein und überraschen sie in ihren wehrlosesten Momenten. Noch dazu eignet sich das Badezimmer nicht nur aufgrund der Unachtsamkeit der duschenden oder badenden Opfer als perfekter Ort eines Verbrechens, die zahlreichen Wasserquellen sind wie dafür geschaffen, Blut in den Weiten der Abwasserkanäle und sonstige Spuren des Tatortes verschwinden zu lassen. Und das Beste: Nach vollbrachter Tat kann der Täter gleich noch selbst unter die – meistens eher seine eigene – Dusche steigen, um sich von der Schuld reinzuwaschen (Tödliches Kommando oder auch Das Leben der Anderen). So eine Dusche strotzt doch vor Effektivität!
Intimität und Voyeurismus
Das Duschen bietet dem Zuschauer einen Einblick hinter die Alltagsmaskerade der Figuren. So wird auch der Rezipient zum Eindringling in die Privatsphäre der gezeigten Charaktere. Die Grenzen der Intimität werden nicht nur äußerlich durch die Nacktheit der Figuren durchdrungen, sondern auch durch das präsentere Bewusstsein des Zuschauers bei Badezimmerszenen, Beobachter, ja gar Voyeur, der Szene zu sein, überschritten.
Jemandem beim Duschen zuzuschauen ist ähnlich wie jemandem beim Schlafen zu beobachten. Im Land der Träume und den Badezimmern der Traumfabrik wiegt man sich eben in Sicherheit, außerhalb des Sichtfeldes von Dritten. Man tut Dinge, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Da zählt Sex (Shame, Black Swan, Antichrist) genauso dazu wie Selbstmord (Sieben Leben), Singen (Pitch Perfect) oder simples Nachdenken (Like Crazy, Zwei an einem Tag, Laurence anyways). Tränen verschwimmen unter der Dusche mit dem die Figur umgebenden Wasser oder werden – auch möglich – umgekehrt als Wasserfall dargestellt. Die Figur wird in diesem Fall von ihren eigenen Tränen geduscht. Dieses filmische Stilmittel lässt sich beispielsweise in dem Film Laurence anyways (Xavier Dolan) beobachten, in dem gleich ein ganzes Wohnzimmer metaphorisch mit den Tränen einer Hauptfigur geflutet wird.
Fest steht: Duschen in Filmen ist und wird ein vielverwendetes Stilmittel bleiben und es bleibt darüber hinaus auch spannend, wen die Filmemacher noch alles abduschen, wenn sogar kaltblütig mordende Autoreifen eine Dusche verpasst bekommen (Rubber).
- Pièles: Deformation in einer lila-pinken Welt - Juni 2, 2017
- Juste la fin du monde: Wenn Worte in Worten untergehen - November 20, 2016
- Joy: Mit Mopp zu Millionen - Dezember 31, 2015
- You Want What You Don’t Want: Taxi auf der Überholspur - November 6, 2015
- Alexis: Wonderful Words … and melodies - August 12, 2015
- Die Lügen der Sieger: Kino, das man sich sparen kann - Juni 12, 2015