Birdman: Mit Michael Keaton zwischen Traum und Wirklichkeit
Birdman ist ein intensiver Film. Auf 119 Minuten Spielfilmlänge gönnt Regisseur Alejandro González Iñárritu weder Zuschauern noch Darstellern eine Verschnaufpause. Das ist fantastisch – aber lenkt leider nur zeitweise davon ab, dass die Story sich auch ohne Schwierigkeiten in der Hälfte der Zeit erzählen ließe.
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Zurück ins Rampenlicht
Riggan ist ein gealterter Schauspieler, der unbedingt zeigen möchte, was in ihm steckt. Dass er mehr ist als der ‚Birdman‘, für den er auch Jahrzehnte nach Erscheinen des Films noch gefeiert wird. Dafür setzt er alles auf eine Karte – seine Ersparnisse, seinen Ruf, seine Familie und sogar sein Verstand scheint auf dem Spiel zu stehen. Denn während Riggan an seiner Performance arbeitet, flüstert ihm eine verräterische Stimme unablässig ins Ohr: Du kannst jederzeit zum Film zurück. Das ist es, was die Menschen lieben. Du kannst wieder der Größte sein.
Doch – auch welchen Gründen auch immer – Riggan möchte es am Broadway schaffen. Nicht zurück zum Film, echte Kunst muss es sein. Dank eines Unfalls auf der Bühne, der seinen unfähigen Sparring-Partner aus dem Ring befördert, kommt mit Mike ein Theater-Schauspieler auf dem Weg zum Broadway-Olymp in die Company. Und macht sich gleich daran das fragile Gebäude aus Hoffnung und Fantasie, in dem sich Riggan befindet, zum Einsturz zu bringen.
Keaton, Norton und Stone sind das Herz von Birdman
Wie biografisch Birdman wirklich ist, darüber darf spekuliert werden. Dass es zwischen dem Ex-Batman-Darsteller Michael Keaton und dem Ex-Birdman-Darsteller Riggan Ähnlichkeiten gibt, steht dabei völlig außer Frage. Das lässt Keatons hervorragendes Spiel besonders realistisch wirken. Übertrumpft wird er dabei von Edward Norton in der Rolle des Mike. Norton – der auch im realen Leben für sein Method Acting bekannt ist – verleiht dem Charakter des erfolgshungrigen Künstlertypen, der nicht recht zwischen Bühne und Leben unterscheiden kann, Leben und Tiefgang und ist völlig zu Recht für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert. Ebenfalls nominiert ist Emma Stone, die ihre spärlich bemessenen Auftritte gut zu nutzen weiß, aber letztlich neben Keaton und Norton untergeht. Eine überraschend stabile schauspielerische Leistung liefert Zach Galifianakis als Riggans Manager ab.
Jede Menge Theater
Neben einem guten Soundtrack beeindruckt der Film vor allem mit der Schnitttechnik. Über 119 Minuten gibt es nicht einen sichtbaren Cut, alle Schnitte sind digital so versteckt worden, dass man sie praktisch nicht wahrnehmen kann. Das verleiht dem Film einen seltsamen Fluss, einen fast traumartigen Charakter, bei dem alle Szenen und Räume nahtlos ineinanderfließen. Dass der Film tatsächlich an ganz unterschiedlichen Sets gedreht wurde, ist kaum mehr wahrnehmbar. Doch die relative Geschlossenheit des Raums ist nicht das Einzige, was Birdman von Theater übernommen hat. Der Handlungszeitraum bleibt sehr überschaubar und es gibt vergleichsweise selten das typische Frage-Antwort-Spiel, stattdessen haben die Schauspieler häufig längere Monologe. Insgesamt wirkt Birdman wie eine filmgewordene Theaterinszenierung – über eine Theaterinszenierung.
Keatons Biografie, ein Film-Theater über ein Broadway-Theater, der Wettstreit zwischen Kino und Bühne – Birdman ist zutiefst selbstreflexiv. So sehr, dass man es irgendwann leid wird. Eine Story, die über sich selbst hinausweist, ist nur bruchstückhaft und mit viel Liebe zu erkennen. Was für sich genommen nicht weiter schlimm ist, bei einer Laufzeit von zwei Stunden und so vielen visuellen Effekten, die den Zuschauer förmlich anschreien: „Du sitzt gerade im Kino!“, strapaziert es irgendwann die Nerven.
Drei Oscars in Reichweite
Für den Best-Picture-Award reicht es dementsprechend vermutlich (und fast möchte man sagen: hoffentlich) nicht. Gute Chancen auf den Oscar für den Besten Hauptdarsteller darf sich Michael Keaton zwar machen, aber die Konkurrenz ist nicht ohne. Kaum nachvollziehbar ist die Entscheidung, Antonio Sánchez nicht für seine Musik zu nominieren, die wesentlichen Einfluss auf den Charakter des Films hat. Glücklicherweise nominiert und mit ganz guten Karten steht Edward Norton da – wenn Boyhood nicht gerade zum Abräumer des Abends wird, sollte der Oscar für den Besten Nebendarsteller drin sein. Seine Leistung, der experimentelle Charakter des Films und natürlich nicht zuletzt das Comeback von Michael Keaton machen den Film sehenswert – einmal sehen reicht aber vermutlich den meisten.
Was die Leute sagenJonas-Rating (zählt natürlich doppelt) IMDB.com Rotten Tomatoes Metacritic |
Gesamtnote
8,14 |
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