Better Call Saul: Bob Odenkirk auf sich gestellt
Gestern lief die erste Folge Better Call Saul, das (zumindest von mir) heißersehnte Spin-Off zu Breaking Bad. Was natürlich auch bedeutet: Die neue Serie muss sich mit Breaking Bad messen, was nicht gerade eine niedrige Messlatte ist. Nach der ersten Folge lautet das frühe Fazit: Den Vergleich muss Better Call Saul nicht scheuen. Es ist eher so, dass zu viel Breaking Bad in der neuen Show von Vince Gilligan steckt.
Der erste Shot. Schwarz-weiß, senkrecht von oben gefilmt, eine undefinierbare Substanz wird auf dem Tisch ausgebreitet und sorgfältig verteilt. Vince Gilligan zitiert sich selbst: Das Schwarz-weiß ist neu, doch filmisch und ästhetisch wirft einen der Shot sofort zurück zu der akribischen Crystal-Meth-Zubereitung von Walter White aus Breaking Bad. Doch hier wird kein Meth zubereitet, sondern ein Cinnabon, eine besonders abscheuliche US-Süßigkeit. Und hinter dem Tresen steht Saul Goodman. Durch die Schwarz-weiß-Zeichnung wird nicht sofort klar, ob es sich um einen Flashback oder einen Flashforward handelt, erst wenn Saul zuhause vor dem Fernseher sitzt und in Erinnerungen schwelgt, wird die Zeitebene klar.
Ein Anwalt am Rande des Nervenzusammenbruchs
Nach einem 13-sekündigen Intro im Stil der 80er springen wir in die Gegenwart von Better Call Saul. Und schnell wird klar: Jimmy McGill (Sauls bürgerlicher Name) lebt den amerikanischen Alptraum. In einer Gesellschaft, die sich selbst immer wieder vorbetet, dass jeder alles werden kann, wenn er sich nur ausreichend anstrengt, haben diejenigen, die nichts haben, doppelt verloren. Bob Odenkirk spielt den Anwalt am Rande seiner Kräfte erschreckend überzeugend. Dass er mehr als seinen zweidimensionalen Charakter aus Breaking Bad spielen kann, hat Odenkirk bereits in Fargo unter Beweis gestellt, in Better Call Saul läuft er hingegen zur Höchstform auf. Bei einer Besprechung mit seinem Wunsch-Klienten in einem Café wird die innere Angespanntheit besonders deutlich – hier zeigt sich auch, dass sich die neue Serie sich nicht hinter Breaking Bad verstecken muss.
Bitte kein Breaking Bad!
Bedauerlicherweise tut das Spin-Off zumindest in der ersten Folge aber genau das. Statt komplett neu anzufangen, wartet am Ende der ersten Folge ein alter Bekannter aus Breaking Bad auf Jimmy McGill. Damit schränkt sich Vince Gilligan ein – wenn in der zweiten Folge keine Kehrwende kommt, wird der Handlungszeitraum von Better Call Saul trotz einer bereits im Voraus georderten zweiten Staffel überschaubar bleiben.
Aber Better Call Saul kann Breaking Bad nicht kopieren. Dafür ist es zumindest in der ersten Folge zu sehr auf Bob Odenkirk fokussiert. Es gibt praktisch keine Szene, in der er nicht vorkommt. Mit Mike (Jonathan Banks) aus Breaking Bad wird im vermutlich ein Sparring-Partner zur Seite gestellt – man darf nur hoffen, dass es vielleicht noch den ein oder anderen Nebencharakter geben wird, der das Solo-Spiel von Saul Goodman/Jimmy McGill unterbricht.
Wir brauchen mehr
Abgesehen von dieser Kritik ist Better Call Saul sehenswert. Filmisch hält sich Vince Gilligan an den eher dunklen Stil aus Breaking Bad und der hohe Production Value zeigt, dass man dem Erfolgs-Creator bei dem Budget keine allzu engen Grenzen gesetzt hat. Hier und da wird die drückende Last auf McGills Schultern ein bisschen zu direkt dargestellt, aber das ist verzeihbar. Nicht verzeihbar wäre es allerdings, wenn man Better Call Saul zu einer reinen Vorgeschichte von Breaking Bad machen würde. Denn deren Ende kennen wir bereits, deshalb muss die Show für sich alleine stehen. Man darf also gespannt auf die zweite Folge sein – die gibt es zum Glück bereits heute Abend.
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