Ex Machina: Der Geist will aus der Maschine
Eine der großartigen Eigenschaften des Kinos ist, dass es eine Art gesellschaftlichen Spiegel darstellt. Der zweite Weltkrieg wurde von Filmen wie Casablanca und The Great Dictator begleitet, im Kalten Krieg waren es Stanley Kubricks Dr. Strangelove und die simple Gut-Böse-Einteilung aus James Bond. Überhaupt sind Kriege ein beliebtes Sujet von Filmemachern – der Vietnam-Krieg wird mit Apocalypse Now und Full Metal Jacket visuell aufbereitet und auch wenn Clint Eastwood für American Sniper keinen Oscar mit nach Hause nehmen durfte, war seine filmische Aufarbeitung des zweiten Irak-Kriegs der erfolgreichste Film an den amerikanischen Kinokassen.
Achtung: Dieser Artikel kann kleinere Spoiler enthalten. Und sagt nachher nicht, wir hätten nix gesagt!
Eine unvollständige Geschichte der Computerintelligenz im Kino
Seit dem Aufkommen von Computern hat sich zu den klassischen Kriegsfilmen, in denen Menschen gegen Menschen kämpfen, ein weiteres Genre gebildet: Filme, in denen Menschen gegen mehr oder weniger intelligente Maschinen kämpfen. Von (und damit wären wir schon beim dritten Kubrick-Film) 2001: A Space Odyssey über The Terminator bis hin zu The Matrix oder I, Robot – um nur ein paar Filme aus einer langen Liste zu nennen. Anfangs fokussierte sich die Betrachtung recht einseitig auf das Zusammenleben von Mensch und Maschine, soll heißen: Wie kann eine Maschine dem Menschen gefährlich werden? In Space Odysee reißt HAL die Kontrolle über ein Raumschiff an sich, in Matrix führen Menschen und Maschinen gleich richtig Krieg und in I, Robot ist Will Smith wundersamerweise der einzige, der die Gefahr Künstlicher Intelligenz richtig einschätzt, bevor er anfängt, sie mit allem was gerade zur Verfügung steht niederzumetzeln. Lediglich in Terminator, dem eigentlich simpelsten Film aus der Liste, gibt es zusätzlich noch die Komponente der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.
Ein neues Subgenre
In den letzten Jahren hat sich der Blickwinkel auf die Interaktion zwischen Menschen und Robotern noch einmal verschoben. Unter dem Schlagwort Künstliche Intelligenz rückt die Frage nach dem Bewusstsein von Maschinen in den Mittelpunkt. Zum Anfang des neuen Jahrtausends ließ Steven Spielberg eine Künstliche Intelligenz gleich die Hauptrolle in seinem Film Artificial Intelligence: AI übernehmen. Vor zwei Jahren flirtete in Spike Jonzes Her Joaquin Phoenix mit einem intelligenten Betriebssystem, das als das erste mit einem eigenen Bewusstsein beworben wurde. Letztes Jahr speiste Johnny Depp in Transcendence um dem eigenen Tod zu entgehen gleich sein komplettes Gedächtnis in eine Künstliche Intelligenz ein – viel enger ist Mensch-Maschine-Kopplung gar nicht denkbar. Vor diesem Hintergrund erscheint Ex Machina fast ein bisschen rückwärtsgewandt – schließlich treffen hier einfach nur „ganz klassisch“ Mensch und Maschine (KI) aufeinander, um miteinander zu reden. Klingt langweilig, ist es aber ganz und gar nicht.
Kann das denken?
Mensch ist in diesem Fall Caleb (Domhnall Gleeson), ein Programmierer, der in einer unverhohlen an Google angelehnten Firma den Hauptpreis einer Mitarbeiterlotterie gewinnt: Einen Besuch in der abgeschiedenen Luxus-Villa des Firmengründers und Programmier-Genies Nathan (Oscar Isaac). Vermutlich muss man Programmierer sein, wenn man sich darüber freut, bei seinem Chef eine Woche Urlaub machen zu dürfen. Nach Anreise im Privathubschrauber bittet Nathan seinen Besuch um die Unterzeichnung eines umfassenden Non-Disclosure-Agreements, bevor er ihm den Zweck seines Aufenthalts eröffnet. Heim-Helikopter, Luxus-Villa und Vertragswerk erinnern zwar ein bisschen an die gähnend langweilige Fifty Shades of Grey-Verfilmung, aber glücklicherweise wartet in Nathans Spielzimmer kein SM-Paradies, sondern die Künstliche Intelligenz Ava (Alicia Vikander). Sie soll von Caleb auf Herz und Nieren getestet werden, eröffnet ihm sein Gastgeber, oder genauer: Daraufhin überprüft werden, ob sie ein Bewusstsein hat.
… oder kann das weg?
Als Prüfmodus hat sich Nathan dabei einen Turing-Test 2.0 überlegt: Während normalerweise die Probanden des Turing-Tests voreinander verborgen bleiben und der Test als bestanden gilt, wenn es dem menschlichen Teilnehmer nicht auffällt, dass er gerade mit einer Maschine spricht (oder schreibt), weiß Caleb ja bereits, dass Ava eine Maschine ist. So erhält er von seinem Chef den Auftrag, im Wissen darum, dass er mit einem Roboter spricht der Frage nach Bewusstsein nachzugehen. Während der Sitzungen zwischen Caleb und Ava wird dabei schnell klar, dass die KI den Standard-Turing-Test problemlos bestehen würde. Für den jungen Programmierer ist Ava ein mehr als ebenbürtiger Gesprächspartner und nach und nach schleichen sich Zweifel ein, wer denn da gerade wen testet. Unabhängig davon entwickeln die beiden Gefühle füreinander und Ava vertraut ihrem neuen Freund an: Sie will aus der Villa-Schägstrich-Forschungseinrichtung fliehen – und Caleb soll ihr dabei helfen.
Der junge Programmierer ist hin- und hergerissen. Nicht so sehr aus Loyalität zu seinem im Laufe des Films als immer manischer agierenden Chef, sondern weil er nicht einschätzen kann, ob Avas Gefühle für ihn echt sind – oder ob sie programmiert wurde, ihn zu lieben. Sein Forschungsauftrag, nämlich herauszufinden, ob Ava echtes Bewusstsein besitzt, gewinnt für ihn so eine persönliche Dimension. Und wenn Ava tatsächlich ein Bewusstsein besitzt, manipuliert sie ihn vielleicht nur, damit sie nicht am Ende des Experiments von Nathan nicht abgeschaltet wird?
Maschine im Mimikry-Modus
„Was ist eigentlich Bewusstsein?“ wird zur beherrschenden Frage des Films, die durch unterschiedliche Allegorien immer wieder aufbereitet wird. Ava spricht wie ein Mensch, agiert wie ein Mensch, sie sieht sogar aus wie ein Mensch – aber denkt sie auch wie einer? Und was bedeutet das eigentlich, wie ein Mensch zu denken? Ist das für eine Maschine überhaupt das Ziel – oder zeichnet sich eine KI vielleicht gerade dadurch aus, dass sie eben nicht denkt wie ein Mensch?
Begrenzt geistreiches Debüt
Mit Ex Machina legt Alex Garland ein recht beeindruckendes Debüt als Filmregisseur ab, nicht zuletzt, weil das Budget mit 11 Mio. Dollar eher überschaubar war. Mit einem Spielort irgendwo in den Bergen ist der Film ein klassisches Geschlossener-Raum-Stück, der Zuschauer kann sich ganz auf die handelnden Akteure konzentrieren, die ihre Sache allesamt gut machen. An manchen Stellen ist der Film ein bisschen zu vorhersehbar für echte Suspense-Momente, gleicht das aber mit gelegentlichen Überraschungen, vor allem aber durch die übergeordnete Fragestellung wieder aus.
Dennoch handelt es sich letztlich um Recycling alter Ideen, lediglich die Fokussierung auf Ava als humanoider Gegenpart eines echten Menschen mit Motiven, die bis zum Schluss offen bleiben, setzt einen eigenen Akzent. Aber besser gut abgekupfert als schlecht neu gemacht: Auch wenn Ex Machina nicht gerade filmische Maßstäbe setzt, ist der Film technisch und strukturell sehr solide. Gelegentliche Verweise, zum Beispiel auf Wittgenstein, der sich mit Bewusstsein beschäftigt hat oder auf Sergey Brin, einen der Google-Gründer, für den Nathan den Mr. Hyde gibt, kommen leider eher platt daher und stören so den Fluss.
Mensch vs. Maschine 2.0
Der Bezug zu Google an sich allerdings ist kein Wunder. Wir leben mittlerweile in einer Welt – auch wenn der Vergleich etwas angestaubt ist – in der das Smartphone in der Hosentasche mehr Rechenpower zu bieten hat als die Computer, die einen Menschen auf den Mond gebracht haben. Für nicht einmal 10 Dollar kann man Computer im Chipkartenformat erwerben. Diese Leistungssteigerung bei gleichzeitigem Preisverfall, bekannt geworden als Moore’s Law, lässt die Entwicklung einer „echten“ Künstlichen Intelligenz in greifbarer Nähe erscheinen. Im Rahmen eines Films wird diese Entwicklung notwendigerweise vereinfacht dargestellt. Aber wenn man das Kino als Spiegel der Gesellschaft begreift, zeigt sich allein in der beeindruckenden Zahl der Filme, die sich mit dem Thema befassen, wie sehr das Thema Menschen beschäftigt.
Ex Machina verlagert den Kampf zwischen Mensch und Maschine auf ein geistiges Niveau. Auch wenn das kein komplett neuer Ansatz ist, bietet der Film mit der Frage „Was gibt es eigentlich, das einen intelligenten Menschen von einer intelligenten Maschine unterscheidet?“ einen Beitrag zur Diskussion.
Was die Leute sagenJonas-Rating (zählt natürlich doppelt) IMDB.com Rotten Tomatoes Metacritic |
Gesamtnote
8,07 |
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