St. Vincent: Wohlfühlen mit Bill Murray
Vincent ist ein „grumpy old man“, ein schlechtgelaunter Senior, der mit Menschen nicht gut zurechtkommt – und sie nicht mit ihm. Er hat keine Manieren, zockt, raucht, trinkt und flucht, seine einzige Zuflucht ist eine Stripperin, von ihm euphemistisch als „Lady of the Night“ beschrieben, und selbst ihr bleibt er nach dem eher oberflächlichen Verkehr Geld schuldig. Keine Beschreibung, die ihn als Babysitter qualifizieren würde – und doch oder gerade deshalb scheint Oliver, der Sohn seiner neuen Nachbarin, einen Narren an ihm gefressen zu haben. Und da Vincent neben seinen restlichen Problemen auch noch in Geldnöten steckt, stimmt er zu, nachmittags auf den mit der neuen Umgebung fremdelnden Jungen aufzupassen.
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Erstlingswerk auf Nummer Sicher
Natürlich kommt es, wie es kommen muss: Vincent fängt an, Oliver gegenüber aufzutauen und beginnt, dem Jungen seine Version des echten Lebens näher zu bringen, nicht zuletzt weil dessen Mutter neben Stress im neuen Job und Scheidungskrieg keine Zeit für ihren Sprössling hat. Für seinen ersten abendfüllenden Film lehnt sich Regisseur und Drehbuchautor Theodore Melfi Plot-mäßig nicht einmal geringfügig aus dem Fenster. Der Film bleibt bis zur letzten Minute vorhersehbar und schafft es auf der Story-Ebene an keiner Stelle, eigene Akzente zu setzen.
Zwei Jungs erleben ein Abenteuer
Das man sich den Film dennoch ansehen kann, liegt an seiner Leichtigkeit, die auch sich auch in der schauspielerischen Leistung wiederfindet. Bill Murray wird mit der Rolle von Vincent nicht gerade an seine Leistungsgrenze gebracht, spielt den zynischen und vom Leben geschlagenen Altsemester mit Backstorywound aber mit einer leichten Eleganz, die beim Zusehen Spaß macht. Meilenweit von einem Charakter wie dem wirklich zerrütteten Jack Nicholson in As Good as it Gets entfernt, ist hinter der Maske des granteligen Nachbarn immer die verschmitzte Psyche eines kleinen Jungens erkennbar, die seine Nähe zu Oliver (Jaeden Lieberher) glaubwürdig macht. Lieberher spielt seine Rolle zwar überzeugend, wird aber vom Regisseur auch nicht ernsthaft gefordert.
Nette Nebenrollen ohne Charaktertiefe
Man kann an dem Film eine gewisse Zweidimensionalität ausnahmslos aller Akteure vorwerfen (selbst die Wandlung Vincents bleibt eher oberflächlich) oder einfach akzeptieren, dass eine Komödie nicht notwendigerweise in psychologische Tiefenspiele hinabsteigen muss. So spielt Naomi Watts die Rolle der schwangeren Tänzerin-Slash-Prostituierten Daka zwar technisch gut, aber auch ohne echte charakterliche Einblicke. Allenfalls Melissa McCarthy (Gilmore Girls, Identity Thief) geht hier und da ein wenig tiefer, bleibt aber letztlich auch ohne die anscheinend vom Regisseur nicht so gewollte Tiefenschärfe. Eine nette Nebenrolle hat Chris O’Dowd (Brides Maids) als katholischer Religionslehrer.
Der Bill Murray-Bonus
St. Vincent ist ein Film für Bill Murray-Fans, für Freunde des Feel-Good-Films, die sich nicht daran stören, wenn ein Plot zum x-ten Mal wiederaufgewärmt wird. Die Rolle von Vincent ist Bill Murray auf den Leib geschneidert und er spielt sie mit perfektem Timing – an vielen Stellen des Films kann man trotz der Vorhersehbarkeit herzlich lachen. Der Film zelebriert eine Skurrilität, die Bill Murray in die Karten spielt und allein für seinen Anblick mit überdimensionierter Sonnenbrille im Gartenstuhl liegend lohnt sich ein Besuch. Derartige Bilder und ein recht guter Soundtrack machen den schwachen Plot zumindest teilweise wieder wett. Der Film zeigt keine Geschichte, wie sie das Leben schreibt, sondern eine, wie man sich das Leben wünscht – und das hat irgendwo ja auch seinen Wert.
Was die Leute sagenJonas-Rating (zählt natürlich doppelt) IMDB.com Rotten Tomatoes Metacritic |
Gesamtnote
7,15 |
Jonas und der Weinstein Company einen Gefallen tun und jetzt einkaufen
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