Music Key: YouTube goes Spotify
Wer hätte gedacht, dass wir das noch erleben dürfen: Mit YouTube Music Key startet YouTube nun endlich seinen eigenen Musik-Streaming-Dienst. Noch ist der Dienst nicht in Deutschland verfügbar, und auch in den USA nur für Nutzer mit Einladung (weil das im Moment einfach so chic ist) – aber wir werfen trotzdem schon mal einen Blick auf das Potenzial von Music Key. Und erklären dabei, was YouTube jetzt kann, was es nicht immer schon konnte.
Wow: YouTube kann jetzt was es schon immer konnte!
Es gibt Momente im Leben, in denen wird einem mit schrecklicher Gewissheit bewusst, was man eigentlich für ein Tech-Nerd ist. Als ich gestern Abend in einer Runde von Freunde begeistert die Nachricht wiedergab, dass man über YouTube bald endlich Musik streamen kann, erntete ich erstmal verständnislose Blicke. „Du lebst wohl hinter dem Mond, das kann man doch schon immer“, war die allgemeine Auskunft.
Stimmt.
Natürlich kann man über YouTube schon immer Musik streamen. Nur dass alle Videos auf YouTube bisher von Nutzern eingestellt wurden. Von Privatpersonen, von Labels, von Künstlern selbst – immer Song für Song und nie umfassend. Das soll sich nun ändern. Drei Major Labels und laut Google hunderte von Indies sind Teil von Music Key und werden voraussichtlich ihre gesamten Bestände auf YouTube integrieren. Damit sollte es in Zukunft einfacher sein, Songs zu finden, ganze Alben abzuspielen bzw. Zugriff auf das gesamte Repertoire eines Künstlers zu haben.
Was YouTube Music Key wirklich kann
Wie schon erwähnt ist eines der Key-Features die (weitestgehend) lückenlose Integration von Label-Beständen, wo bisher eher Patchwork angesagt ist. Wie bei Spotify Premium ist daneben einer der Hauptvorteile von Google Music Key das Verschwinden der lästigen Werbung. Außerdem ganz wichtig: Songs können bei einem Abo auch offline gespeichert werden können. Daneben verspricht YouTube bessere Soundqualität für Abonnenten. Nicht zuletzt fällt auch ein großes Ärgernis für Mobilnutzer von YouTube weg: Songs sollen künftig auch im Hintergrund abgespielt werden können – also wenn YouTube minimiert oder der Sperrbildschirm aktiv ist. Und ein Alleinstellungsmerkmal darf natürlich nicht vergessen werden: Im Gegensatz zu Spotify, Pandora und wie sie alle heißen, bietet YouTube als einziger Dienst neben den Songs auch die passenden Videos.
Das alles soll den User (anfängliche Test-Phasen mit Invite mal außen vor) 9,99 Euro pro Monat kosten. Also ziemlich genau das, was Spotify aktuell in der Premium-Version mit Mobil-Unterstützung kostet – und genau das, was auch Google Play Music (das „All Access“ ist endlich aus dem Namen verschwunden) monatlich kostet.
Ein Wirrwarr aus Diensten
Google Play Music (für alle, die verständlicherweise längst den Überblick über die ca. 1 Million Google-Produkte verloren haben) ist übrigens der bisherige Musik-Streaming-Dienst von Google. Der ist für die neuen Nutzer von YouTube Music Key (am Rande: Google sollte die komplette Produktnamensfindungsabteilung geschlossen feuern) in Zukunft in den Abo-Kosten erhalten, ebenso wie umgekehrt. Warum Google es für eine gute Idee hält zwei Dienste parallel zu unterhalten bleibt mir völlig unklar. Die Süddeutsche vermutet, dass Larry Pages böser Zwilling sein Unwesen treiben könnte.
Die Chancen für YouTube Music Key
Die größte Stärke von YouTube Music Key ist die atemberaubend große Nutzerzahl von YouTube. Laut eigenen Angaben besuchen monatlich nicht weniger als eine Milliarde Menschen die Videoplattform. Außerdem berichtet cnet unter Berufung auf Nielsen, dass rund zwei Drittel der US-Internetnutzer mindestens einmal die Woche online Musik hören – und von denen die meisten auf YouTube. Das sind gigantische Werte. Zum Vergleich: Spotify behauptet von sich, rund 50 Millionen aktive Nutzer zu haben, von denen 12,5 Millionen für den Dienst bezahlen (was nebenbei bemerkt eine unglaublich gute Quote ist). Wenn YouTube es schafft, auch nur einen sehr geringen Teil seiner Nutzer in zahlende Abonnenten zu verwandeln, liegt es reichweitentechnisch auf einen Schlag vor der Konkurrenz.
Dennoch ist diese große Stärke aus meiner Sicht auch die größte Schwäche von Music Key: YouTube-Nutzer haben sich längst auf das Musik-Angebot von YouTube eingestellt. Durch die vielen Einschränkungen, die durch auf ihre Vertriebsrechte pochende Labels entstanden sind, durch die atemberaubende Kreativität, die YouTube-Nutzer bei Covern an den Tag legen, ist eine unglaubliche Vielfalt entstanden. Auch wenn das Promo-Video für Music Key hoffen lässt, dass YouTube sich der Relevanz der User-Beiträge durchaus bewusst ist, das Problem könnten am Ende die User sein. Für die stehen gute Soundqualität, komplette Alben und Werbefreiheit zumindest im Gros nicht an erster Stelle. Und die, denen gerade das wichtig ist – nun, die können schon seit langem Spotify nutzen. Auch in Deutschland.
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