Patreon: Der seltsame Fall der freiwilligen Unterstützung
Vor ein paar Wochen habe ich getan, was jeder partyfaule Student an einem Samstagabend macht: mich auf der Couch vor meinen Laptop hocken. Doch statt ziellos vor mich hin zu surfen, hatte ich diesmal eine Art Termin. Ein Webcast eines kleinen Konzerts der Dresden Dolls live aus Brooklyn für mich und Sängerin Amanda Palmers weitere 4.700 Unterstützer auf der Crowdfunding-Plattform Patreon. Nur einen Tag vorher hatte Amanda eine Mail an alle ihre „Patrons“ geschickt, um sie zu informieren, dass sie und Brian Viglione sich anlässlich des Record Store Days noch einmal zusammen als die Dresden Dolls auftreten. Ihr sei zu Ohren gekommen, dass einige gerne einen Stream des Konzerts haben wollten. Und obwohl es schwierig sei, innerhalb von 24 Stunden einen guten Stream auf die Beine zu stellen, inklusive mehrerer Kameras und anständiger Qualität, sei sie bereit, es zu versuchen. Kurz nach Mitternacht bekomme ich eine weitere Mail mit Link und Passwort und kann ein Livekonzert ganz gemütlich von meiner Couch aus genießen.
Crowdfunding als Abo-Modell
Patreon lässt sich als eine Art permanentes Kickstarter für Künstler beschreiben. Anstatt nur einmal einem bestimmten Crowdfunding-Projekt Geld zu geben, bietet Patreon die Möglichkeit, Kreative aller Art dauerhaft zu unterstützen. Der Künstler – Sängerin, Autor, Band, Game-Designerin, Maler, YouTuberin, Macher von Ohrringen aus Papier – entscheidet dabei, ob er sich pro hochgeladenem Inhalt bezahlen lässt oder einfach pro Monat, auch wenn vielleicht gar nichts hochgeladen wird. Gleichzeitig legen auch die „Patrons“, wie die Unterstützer genannt werden, eine Summe fest, die sie dem Projekt geben wollen. Ähnlich wie bei anderen Crowdfunding-Plattformen genießt man ab einem gewissen Geldbetrag auch andere Privilegien. Auf der Patreon-Seite von Postmodern Jukebox zum Beispiel (eine Band um Scott Bradlee, die aktuelle Songs im Stil anderer Ären der Musikgeschichte interpretieren, wie beispielsweise Barbie Girl im Stil der Beach Boys) hat man schon bei einem Dollar pro Musikvideo Zugriff auf Downloads der Songs, ab fünf Dollar gibt es Instrumental-Versionen dazu und ab zehn Dollar monatliche Google-Hangouts mit der Band. Für jeden Künstler kann man außerdem ein Limit festlegen, das man monatlich bereit ist zu zahlen. Aber selbst wenn mein Beitrag pro Video bei fünf Dollar liegen würde, mein Limit bei fünfzehn Dollar/drei Videos und die Band in einem kreativen Anfall zwanzig Videos im Monat herausgeben würde, hätte ich immer noch Zugriff auf alle Inhalte.
The Art of Asking
Das ist einer der interessanten Aspekte von Patreon. Ein Großteil der Künstler stellt ihre Produktionen kostenfrei im Internet zur Verfügung. Postmodern Jukebox sind über YouTube bekannt geworden und laden dort immer noch wöchentlich Videos hoch, für alle zur freien Verfügung. Die meisten von Amanda Palmers Songs kann man kostenlos oder gegen eine Spende auf Bandcamp herunterladen. Bei Patreon geht es oft nicht um den exklusiven Zugang zu Inhalten für diejenigen, die es sich leisten können, sondern darum, Geld zu geben – wenn man dazu bereit ist, um die Inhalte weiter kostenfrei für alle bereitstellen zu können. Selbst der Dresden Dolls-Webcast ist mittlerweile für alle Welt auf YouTube abrufbar. „I think people have been obsessed with the wrong question, which is how do we make people pay for music. What if we started asking how do we let people pay for music”, sagt Amanda Palmer gut zwei Jahre bevor sie anfängt Patreon zu nutzen bei ihrem TED-Talk “The Art of Asking”. Amanda hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie mit der konventionellen Form der Vermarktung über Plattenlabels nicht zufrieden war. Das Label, das die Dresden Dolls gekauft hatte, war nur so lange an der Band interessiert, wie sie das Geld wieder reinholten. 25.000 verkaufte CDs waren dabei nicht genug, die Dresden Dolls trennten sich von ihrem Label, Amanda wandte sich für ihr nächstes Soloprojekt an Kickstarter und sammelte über eine Million Dollar von ihren Fans.
Plattform mit Kinderkrankheiten
Natürlich ist Patreon noch nicht perfekt. Bekannte Künstler wie Amanda Palmer haben es erst einmal leichter, Unterstützung zu erhalten. Bei 4.700 Patrons und über 31.000 Dollar „per thing“ verdient sie zehnmal so viel wie Postmodern Jukebox mit knapp 1.000 Patrons und 3.400 Dollar pro Musikvideo. Und Postmodern Jukebox haben damit immer noch zehnmal so viele Unterstützer wie Yulin Kuang, die Kurzfilme auf YouTube produziert, mit 80 Patrons 500 Dollar pro Monat erhält. Außerdem kann die Seite schnell unübersichtlich werden, zumindest im Tab „All Posts“, auf dem auch die Patrons alles posten dürfen, was sie möchten. So hat sich zumindest die Kommunikation der Unterstützer von Amanda Palmer größtenteils in eine Facebook-Gruppe verlegt, in der zwar auch viel gepostet wird (eigene Kreationen, Coverversionen auf der Ukulele, alltägliche und nicht-alltägliche Probleme, aufmunternde Worte), die aber immer noch leichter zu überblicken ist als die Patreon-Alternative. Jack Conte, der Patreon ins Leben gerufen hat, ist sich dieser Probleme aber zumindest bewusst und arbeitet ständig daran die Seite zu verbessern.
Patronage für alle!
In der Zwischenzeit bleibt Patreon wohl die beste Möglichkeit unabhängige Künstler aller Art zu unterstützen. Subbable, ein ähnlicher Service der von den vlogbrothers, John und Hank Green gegründet wurde, könnte daran gescheitert sein, dass sich nicht jeder einfach als Creator anmelden konnte, sondern vorher ausgesucht wurde, welche Künstler unterstützt werden können. Alle Projekte von Subbable (hauptsächlich YouTube-Kanäle wie SciShow, Beer and Board Games und Crash Course) sind mittlerweile zu Patreon übergewandert. Aber allein die Tatsache, dass verschiedene Seiten aufgebaut wurden, um kreative Projekte zu unterstützen, zeigt, dass viele Leute die Künstler, die sie mögen, unterstützen wollen, obwohl sie nicht müssen. „Patronage“, ein Konzept das in der Renaissance reichen, meist adligen Individuen vorbehalten war, ist im 21. Jahrhundert und vor allem bei den Massen angekommen. Anstatt viel Geld von einer Person (oder einem Management in irgendeiner Form) zu bekommen, reicht wenig Geld von vielen Personen, das direkt beim Künstler ankommt und zwar für die Inhalte, die die Patrons sehen wollen. Auf die Frage, wie sie die ganzen Leute dazu gebracht hat, für ihre Musik zu bezahlen, hat Amanda Palmer eine einfache Antwort: „I didn’t make them. I asked them.“
Amanda Palmer und Elisabeth einen Gefallen tun und jetzt einkaufen!
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